Die Macht unseres Magen-Darm-Trakts

Viele von uns unterschätzen die Macht unseres Magen-Darm-Trakts. Für uns ist ganz elementar, dass unser Magen die Nahrung, die wir essen, verdaut und wir sie danach wieder ausscheiden; das klingt nach einem ganz klaren und effektiven System. Aber das Innenleben dieses Trakts ist ein komplettes Ökosystem, das ununterbrochen aktiv ist.

Die Bakterienkolonien innerhalb dieses Systems interagieren mit der Nahrung, die wir in den Trakt schicken, schaffen eine Habitat und nehmen den Raum entlang der Schleimhautauskleidung ein. Von dort aus senden sie Signale und kommunizieren mit uns. Es gibt buchstäblich Trillionen lebender Mikroorganismen in unserem Innern! Die Darm-Mikrobiota, oft auch als Darmflora bezeichnet, spielt eine entscheidende Rolle für die Funktion der Darm-Hirn-Achse (sie umfasst die gesamte Kommunikation zwischen dem Magen-Darm-Trakt und dem Gehirn) sowie für viele andere Prozesse, von der Kontrolle von Entzündungsreaktionen und der Immunantwort bis zur Integrität der Darmbarriere und Darmdurchlässigkeit. Mit dem Begriff „Darmflora“ beschreibt man die Vielzahl von Spezies und Kolonien der Bakterien und Hefen im Magen-Darm-Trakt. Ihre Zusammensetzung wird durch unsere Ernährung, Stress, die Einnahme von Medikamenten und Umweltfaktoren beeinflusst.

Die Besiedlung des Magen-Darm-Trakts durch Mikrobiota wird ursprünglich bei der Geburt durch die Art der Entbindung festgelegt. Vaginal entbundene Babys haben eine von der Spezies Lactobacillus dominierte Mikrobiota, die von der vaginalen und fäkalen Mikrobiota der Mutter stammt. Dagegen weisen mit Kaiserschnitt geborene Babys eine hauptsächlich von der Flora der mütterlichen Haut bestimmte Mikrobiota auf. Diese Flora setzt sich im Wesentlichen aus den Spezies Staphylococcus, Corynebacterium, und Propionibacterium zusammen, mit einer höheren Anfälligkeit gegenüber C. difficile. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass diese Babys sehr niedrige Mengen an der Spezies Bifidobacterium aufweisen, die sie jedoch durch das Stillen in großen Mengen erhalten können. Diese Bakterienflora wird diversifiziert, sobald das Kind abgestillt wird und feste Kost zu sich nimmt.

Der Einfluss unserer Ernährung auf die Darm-Mikrobiota ist besonders groß, da die Versorgung der Bakterien von dem Nährstoffgehalt in unserem Darm abhängt. Dadurch betreiben sie die Fermentierung von Kohlenhydraten und setzen dabei kurzkettige Fettsäuren für die Energiegewinnung durch andere, höher spezialisierte Bakterien frei. Das Gleichgewicht der Bakterienstämme ist von entscheidender Bedeutung für unsere Gesundheit. Eine Vielzahl von Gesundheitsproblemen werden mit Dysbiose in Verbindung gebracht, bei der ein Ungleichgewicht der Stämme oder ein Mangel an Bakterien im Darm die Integrität der Darmwand und die Dauer der Darmpassage beeinträchtigen kann.

Es ist zwar noch keine allgemeine Praxis, wird aber doch immer üblicher, dass Ärzte ihren Patienten empfehlen, während oder nach einer Antibiotika-Behandlung Probiotika einzunehmen. Ein wenige Stunden nach dem Antibiotikum eingenommenes Probiotikum kann helfen, den auslöschenden Effekt der Antibiotika auf die Mikroflora des Darms zu korrigieren. Die wiederholte Verwendung von Antibiotika ohne eine Neubesiedlung durch nützliche Darmbakterien kann zu bleibenden Schäden im Darm führen. Bei Kindern verringert die Behandlung mit Antibiotika insbesondere die Besiedelung mit Bifidobakterien- und Lactobacillus-Stämmen. Frühe und häufige Behandlung mit Antibiotika werden mit Allergien und chronisch-entzündlicher Darmerkrankung in Verbindung gebracht.

Probiotika sind per Definition lebende Mikroorganismen, die -in genügend hohen Dosen verabreicht- , um dem Organismus gesundheitliche Nutzen zu bringen. Ihre Verwendung für Magen-Darm-Beschwerden ist umfassend untersucht worden. Die Studien bezüglich ihrer positiven Rolle für das Nervensystem haben im letzten Jahrzehnt beachtlich zugenommen. Verschiedene Untersuchungen an Menschen haben sogar gezeigt, dass mehrstämmige Probiotika die Symptome von Angstzuständen und Depression lindern sowie die Kognition verbessern können.